Leitsätze:
1. Der strenge Maßstab des Art. 6 III GG für die Trennung eines Kindes von seinen Eltern findet auch
Anwendung, wenn ein Sorgerechtsentzug eine bereits bestehende Fremdunterbringung
aufrechterhält und die Eltern mit dieser einverstanden sind (vgl. BVerfG, FamRZ 2017, 1577
{FamRZ-digital|FamRZ bei juris}).
2. Der strenge Maßstab gilt wegen der dem Vormund eingeräumten Rechtsmacht auch, wenn ein
Kind weiter bei einem Elternteil lebt und der bestellte Vormund nicht beabsichtigt, dieses dort
herauszunehmen (vgl. BVerfG, FamRZ 2014, 1177 {FamRZ-digital|FamRZ bei juris}).
3. Für die Eignung eines Sorgerechtsentzugs ist durch das Familiengericht darzulegen, wie der
Vormund die Schädigung des Kindeswohls abwenden und was er anders machen würde als die
Eltern.
4. Eine zwangsweise Therapie von Jugendlichen erscheint nicht von vornherein ausgeschlossen,
hierzu kann jedoch die Einholung eines kinder- und jugendpsychiatrischen bzw.
psychotherapeutischen Gutachtens neben einem psychologischen Gutachten erforderlich sein.
5. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung muss eine Gesamtbetrachtung dahingehend erfolgen,
ob sich die Situation des Kindes auch unter Berücksichtigung der mit Sorgerechtsentscheidung
verbundenen Folgen (vor allem die Trennung von Eltern und Kind) insgesamt verbessert (vgl.
BVerfG, FamRZ 2018, 1084, m. Anm. Socha).
6. Ein psychologisches Sachverständigengutachten vermittelt nur dann eine hinreichend tragfähige
Tatsachengrundlage, wenn es von dem für Kindesschutzfälle zutreffenden rechtlichen Maßstab
(Kindeswohlgefährdung) ausgeht.
Urteil lesen: BVerfG 1 BvR 1037/23